Die Ursprünge des Okinawa-Karate

 

Die Geschichte der Kampfkünste ist beinahe so alt, wie die Menschheit selbst.

Seit der Mensch denken kann, hat er schon immer nach Mitteln und Wegen gesucht, sich gegen Angriffe von Außen zur Wehr zu setzen.

 

      Für die meisten heute bekannten Kampfkünste sind dabei aber lediglich die Ereignisse der letzten ca. 2000 Jahre im asiatischen Raum von besonderer Bedeutung.


      Zwar gab es zu jeder Zeit der Menschheitsgeschichte an jedem Ort der Welt eigene, mehr oder weniger gut entwickelte Kampfmethoden, viele davon auch bereits sehr früh mit einem deutlich philosophisch/religiösen Hintergrund (z. B. das griechische Pankration), jedoch blieb es das Privileg der Asiaten, die Kampfkünste stark und nachhaltig zu kultivieren.


altgriechische Pankratiasten
altgriechische Pankratiasten

Eine besondere Rolle in der Kultivierung der Kampfkünste fiel hierbei dem Shaolin-Kloster im zentralchinesischen Songshang-Gebirge zu.

 

Alten Überlieferungen zufolge erreichte etwa im Jahr 520 n. Ch. ein indischer Mönch namens Bodhidaruma das Shaolin-Kloster.

 

 Infolge seines Wirkens entwickelte sich im Shaolin-Kloster eine neue Religionsrichtung, welche später als Chan-(Zen) Buddhismus bekannt werden sollte.

 

 Wesentliches Merkmal des Chan- Buddhismus war die Erlangung von Erleuchtung durch Meditation.

 

Bodhidaruma der Begründer des Chan-Buddhismus
Bodhidaruma der Begründer des Chan-Buddhismus

 Sehr bald stellte sich jedoch heraus, dass die dortigen Mönche durch den meditativ geprägten Zen-Buddhismus körperlich stark geschwächt und kränklich wurden.

 

 In diesem Zusammenhang waren sie in der damaligen, unruhigen Zeit sicher auch ein häufiges und leichtes Ziel vagabundierender Banden.

 

Es wird angenommen, dass dieser Umstand, zusammen mit der Notwendigkeit einen körperlichen Ausgleich zur überwiegend sitzenden Meditation zu schaffen, auch ein wesentlicher Auslöser zur Entwicklung der Shaolin-Kampfkünste war.

 

Da sich in Asien zu dieser Zeit bereits eine unüberschaubar große Anzahl von unterschiedlichen Kampfkünsten entwickelt hatte, blieb eine gegenseitige Einflussnahme höchstwahrscheinlich nicht aus.

 

Als sicher gilt, dass die Kampftechniken der Shaolin in der Folgezeit eine Schlüsselrolle spielten und sich aufgrund ihrer Bindung an den Chan-Buddhismus festigen konnten.

 

Über China gelangten diese Kampftechniken ab dem 13. Jahrhundert schließlich auch nach Okinawa, welches zu dieser Zeit wirtschaftliche Beziehungen zu China unterhielt.

 

Kanjizeichen für Tôde
Kanjizeichen für Tôde

Im Ergebnis entstand dort eine neue Kampfkunst, die Tôde genannt wurde.

 

Mit Tô bezeichnete man auf Okinawa alles, was aus China kam, ebenso wie das Land selbst.

De ist eine Verzerrung von Te (Ti) und bedeutet sowohl im Chinesischen als auch im Okinawanischen "Technik“.

 

Mit "Ti" bezeichneten die alten Okinawaner die auf ihrer Insel bis dahin vorherrschende Kampfmethode.

 

Tôde, in der Übersetzung "Technik der Tang" oder "Technik Chinas" bezieht sich hierbei auf das chinesische Quan-fa, den großen Initiator der okinawanischen Selbstverteidigung.

Okinawa
Okinawa

 Über Jahrhunderte hinweg lag die kleine Insel Okinawa im Spannungsfeld der beiden großen Mächte Japan und China.

 

Die lang anhaltenden und guten Beziehungen zum chinesischen Kaiserreich ermöglichten dem kleinen Inselstaat jedoch, sich durch Anlehnung an die hohe chinesische Kultur zu entwickeln.

 

Bereits 1392 war in einem Vorort der okinawanischen Hauptstadt Naha die chinesische Siedlung Kumemura errichtet worden, die bis in die jüngste Vergangenheit einen regen Kulturaustausch ermöglichte.

 

Dort wohnten ständig vom chinesischen Kaiser beauftragte Gesandte, deren Aufgabe es war, den kleinen Staat durch Rat und Tat zu unterstützen und dadurch für eine friedliche Bindung Okinawas an China zu sorgen.

 

Auf Okinawa übte man sich zu jener Zeit in einer Selbstverteidigungsmethode, die hier Ti (Technik) genannt wurde.

 

Da sich unter den chinesischen Gesandten auch namhafte Experten des Shaolin Quan-fa befanden, vermischten sich die beiden Kampfkunstmethoden bald miteinander. 

Später verwendete man dafür auch die Bezeichnung Okinawa-te (Technik aus Okinawa), um der Kunst einen einheimischen Charakter zu geben.

 

Tor zum Shuri-Castel Okinawa
Tor zum Shuri-Castel Okinawa

Im Laufe der Zeit entwickelte das okinawanische Karate eine große Vielfalt von Konzepten, in denen sich die jeweilige Auffassungen der Meister widerspiegelten, die sich aber alle in ihrem Ursprung und Inhalt auf das große System des Tôde zurückführen ließen.

 

Ohne genaue Grenzen etablierten sich im Okinawa-Tôde zwei große Hauptsysteme.

 

Innerhalb dieser Systeme begründeten die Meister viele Stile. Meistens ordneten sich die Stile der Stadt zu, in der der Gründer lebte.

 

So nannte man die Karateauffassung des jeweiligen Meisters nach seinem Wohn- oder Übungsort Shuri-te, Tomari-te oder Naha-te.

 

Da sich die beiden Kampfkunstkonzepte von Shuri und Tomari sehr nahe standen, bürgerte sich für diese beiden Konzepte auch die gemeinsame Bezeichnung Shorin-Ryu ein.

 

Shorin ist die japanisch/okinawanische Aussprache des chinesischen Shaolin. Die Kanji-Schriftzeichen für diesen Stil und den Shaolin-Tempel sind die selben.

 

Insbesondere der Leibwächter des letzten okinawanischen Königs, Bushi Sokon Matsumura, führte die einheitliche Bezeichung "Shorin-Ryu" für die in Tomari und Shuri geübten Kampftechniken ein.

 

Diese Bezeichnung steht heute als Oberbegriff für die okinawanischen Kampfkünste, die sich hauptsächlich aus dem Shaolin-Tempel ableiten und soll die Verwandtschaft des Okinawa-Karate mit den Kampftechniken der Shaolin nach außen hin deutlich machen.

 

Den stärksten Einfluss erfuhren die Kampfkünste aus Shuri und Tomari wohl vom Shaolin-Kung Fu aus Fukien und dessen inneren Methoden, wie z.B. dem Bai-he-quan (Weißer Kranich Stil), welcher in Okinawa Hakutsuru-ken genannt wurde.  

Zahlreiche Meister dieses südlichen Kranichstils, der heute als der Hauptbeeinflusser des Karate gilt, lebten auf Okinawa und unterrichteten die Methode des Kranichs, die durch das geheimnisvolle Lehrbuch Bubishi alle Stile Okinawas prägten.

 

Im Shorin-Ryu galt das Hakutsuru-ken als geheimes System und wurde nur engsten Vertrauten gelehrt.

 

Aus diesem System stammt hauptsächlich das Qin-na (Griffe und Hebel) des Okinawa-Karate, das die Lehre der Vitalpunktstimulation (Kyushô-jutsu und Tuite), die Techniken der klebenden Hände (Kakie) und die Systeme der Wiederbelebung (Kuatsu) enthält.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte das Okinawa-Karate dann zunehmend auf die japanischen Hauptinseln. 

 

Da den Japanern zu dieser Zeit alles chinesische zumindest sehr suspekt war, wurden die alten Techniken des Okinawa-Te zunehmend nach dem japanischen Geschmack verändert. 

 

Starken Einfluß nahm hier die Kampfkunst des japanischen Kendo auf das nunmehr moderne japanische Karate. 

 

Viele der alten, überlieferten Techniken der Kampfkünste des Shaolin gingen hierbei verloren oder wurden derart zweckentfremdet, dass sie ihre gesundheitlichen und kämpferischen Wirkungen nahezu gänzlich verloren.

 

In Okinawa blieb man den alten Übungsmethoden jedoch weitgehend treu, weshalb sich hier noch heute ein großer Teil der ursprünglichen Technikvielvalt erhalten konnte.

 

Mit unserem Kumakan-Karate fügen wir ebenfalls wieder ein kleines Stück dieser ursprünglichen okinawanisch-chinesischen Verflechtung zusammen und bemühen uns, die alten Techniken und Lehrmethoden der Gründerväter des okinawanischen Karate zu erhalten.